Zahlreich sind die Ausreden, wenn es um ein klimafreundliches Verhalten geht: „Ich kann ja eh nichts tun“ oder „Ich tu ja eh schon was“, „Zuerst müssen sich die Chinesen ändern“ oder

„Mein Nachbar fährt auch einen SUV“, „Es ist ohnehin schon zu spät“ und „Neue Technologien werden es schon richten“. Die SN sprachen mit dem Grazer Psychologen Thomas Brudermann über sein Buch „Die Kunst der Ausrede“ – und wie man ihr beikommen könnte. Ausreden kommen meist aus einem schlechten Gewissen. Ist das die gute Nachricht bei Klima-Ausreden?
Thomas Brudermann: Ein schlechtes Gewissen ist prinzipiell ein Antrieb und Motivator, das Verhalten zu ändern. Die schlechte Nachricht ist: Wir Menschen sind sehr gut darin, unser schlechtes Gewissen auszublenden. Wir können uns mit Ausreden die Welt und das eigene Handeln sehr gut schönreden.

Manche Klima-Ausreden klingen logisch; etwa diese: „Wenn alle Chinesen klimafreundlich handelten, wäre das Problem schon halb gelöst.“ Diese Ausrede ist verlockend: Das große China,
so viele Menschen, da sind wir doch klein, hilflos und unbedeutend. Das Dumme ist: Diese Ausrede funktioniert auch für die Chinesen, weil sie weniger emittieren als wir. Wenn man es auf
die Lebensstile rechnet, das heißt, wo werden Güter konsumiert, dann sind wir pro Kopf immer noch vor China, z. B. bei Mobilität oder bei der Ernährung. Auch historisch gesehen, sind die meisten Emissionen in Nordamerika und Europa angefallen. China liegt bei rund 15 Prozent, Europa bei über 20, die USA bei ca. 25 Prozent.
Die „Salzburger Nachrichten“ haben Kinder befragt. Die sagen: „Ja, wir wollen etwas für das Klima tun. Aber ein Urlaubsflug muss drinnen sein.“ Wo müsste man da ansetzen?
Die Lebensstile, die den jungen Menschen vorgelebt werden, spielen eine große Rolle. Viele Influencerinnen und Influencer leben und zeigen sie vor. Das ist extrem sichtbar und weckt ständig
Sehnsüchte: die schönen Strände, die tollen Städte, das ungehemmte „hop around the world“.
Wo ansetzen? Es gibt nicht die eine Lösung, sondern mehrere Bausteine. Das eine ist Wissen und Mindset. Aber viel stärker wirkt das Umfeld, das wir als einzelne vorfinden.
Derzeit ist die klimaschädliche Option in vielen Fällen billiger, schneller und hipper als die umweltfreundliche Alternative.
Wie groß ist der soziale Druck, die Ausrede, ich stünde komisch da, wenn ich allein klima-freundlich wäre?
Wir Menschen sind zutiefst soziale Wesen. Was andere denken oder tun, verändert die Verbindungen im Gehirn. Wenn man sich gegen eine Mehrheitsnorm stellt, wird das Angstzentrum aktiviert, man hat ein ungutes Gefühl. Es wird aber auch ein Teil des Belohnungssystems aktiviert; das heißt, wir haben auch ein bisschen Aufmotzen genetisch kodiert. …

Das Interview führte Josef Bruckmoser.
Erstmals erschienen in den „Salzburger Nachrichten“ vom 26. August.