ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä hat große Ausbaupläne für mittelgroße Bahnhöfe.

Railjet steht am Bahnhof.Lokführer schaut aus dem Fenster des Zugs und spricht mit anderem Bahn-
Angestellten. Beide tragen Mundschutz.
Foto: ÖBB/Marek Knopp

Neue Arbeitszeitmodelle sollen Frauen in Berufe und Karrierechancen bei der Bahn locken. Aber noch steckt die Bahn mitten in den Corona-Einschränkungen. Wie lange noch?


Forum Mobil: Herr Vorstandsvorsitzender Matthä, gibt es 2021 einen Neustart nach Corona? Was erwarten Sie für die ÖBB, was erwartet die Fahrgäste?


Matthä: Wir sind derzeit bei den Fahrgastzahlen noch immer bei minus 60 Prozent im Fernverkehr und auch im Nahverkehr. Die Reiseeinschränk-ungen nach Tirol haben die Fahrgastzahlen im Februar noch einmal verringert. Erfreulich ist, dass die sogenannte Notvergabe zwischen Wien und Salzburg verlängert wurde. Bei der Bahn gibt es zum einen die gemeinwirtschaftliche Leistung der öffentlichen Hand für den Öffentlichen Verkehr, zum anderen haben wir zwischen Wien und Salzburg einen ganz normalen marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Deshalb hätten sowohl die Westbahn als auch die ÖBB wegen der dramatischen Einbrüche der Fahrgastzahlen ohne Notvergabe nur die Möglichkeit gehabt, den Verkehr zu reduzieren. Das wollen wir alle nicht, wäre aber wirtschaftlich nicht anders möglich gewesen.


Forum Mobil: Die Notvergabe hat das erste Mal zu einer gewissen Kooperation von Westbahn und ÖBB geführt, etwa die wechselseitige Anerkennung der Tickets. Können Sie sich künftig eine weitere Kooperation vorstellen, oder bleibt das reine Konkurrenz?


Matthä: Westbahn und ÖBB sind im Wettbewerb mit teilweise sehr unterschiedlichen Tarifsystemen und unterschiedlichen Kundenstrukturen. Aber man soll niemals „Nie“ sagen, denn unser wahrer Wettbewerber ist die Straße. Unter normalen Bedingungen haben wir beide genug Fahrgäste, um unsere Züge auf der Weststrecke wirtschaftlich zu führen.


Forum Mobil: Noch ist auch das Flugzeug zwischen Wien und Salzburg eine Konkurrenz. Das halten viele nicht mehr für sinnvoll, weil die Verbindung zum Flughafen Wien mit dem Railjet exzellent ist.


Matthä: Wir haben mit Austrian Airlines eine Kooperation, die sich Airail nennt. Damit können Sie de facto von Salzburg nach Los Angeles fliegen, wobei von Salzburg bis Wien das Zugticket gilt, aber unter den Bestimm-ungen der IATA, der Internationalen Flugvereinigung.


Forum Mobil: Ist der Flugverkehr Salzburg–Wien demnach nicht mehr sinnvoll?

Matthä: Das müssten Sie Austrian fragen. Als rational denkender Mensch würde man sagen: „In 2 Stunden 22 Minuten von Salzburg nach Wien und dann direkt weiter zum Flughafen, da nehme ich den Zug.“

Forum Mobil: Welche Überlegungen gibt es bei den ÖBB, um die Fahrgäste nach dem Abflauen der Corona-Pandemie wieder zurückzugewinnen?


Matthä: Generell brauchen wir in Österreich wieder ein Stück weit Aufbruchsstimmung. Das wollen wir gern unterstützen. Wenn die Hotellerie und die Gastronomie langsam wieder öffnen, wird es zumindest wieder einen innerösterreichischen Tourismus geben. Zentral ist für uns auch, dass die Schulen wieder Präsenzunterricht haben. Daher gehen wir davon aus, dass wir uns im Nahverkehr im Herbst sukzessive wieder einpendeln und am Jahresende nur noch leicht unter dem Vorkrisenniveau von 2019 sein werden.


Forum Mobil: Im Fernverkehr wird die Erholung länger dauern?


Matthä: Es wird etwas länger dauern, vor allem bis der internationale Tourismus wieder anspringt. Dazu kommt, dass Homeoffice und Digitalisierung das Reisen generell und vor allem auch die Zahl der Dienstreisen verringern werden. Das werden wir in den Fernverkehrs-zügen spüren. Umgekehrt erhoffen wir uns einen sehr positiven Trend, wenn das 1-2-3-Ticket kommt. Dabei ist für uns das 3er-Ticket entscheidend, die sehr günstige Jahreskarte für ganz Österreich. Wir sind überzeugt, dass dieses Ticket wieder mehr Autofahrer auf die Bahn bringen wird.