Es war ein bizarres Zusammentreffen zweier Sichtweisen, als diesen Juli einerseits die Warnung von 14.000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor einem weltweiten „Klimanotfall“ veröffentlicht wurde und andererseits
Ex-Bundeskanzler Kurz seinen hemdsärmeligen Zugang zum Klimaschutz (Technologie statt Verzicht und Steinzeit) zum Besten gab.

30 VERLORENE JAHRE
Österreich sollte schon seit dreißig Jahren Klimaschutz betreiben, was aber bisher nicht geschehen ist. Allein die Missachtung der – völkerrechtlich verbindlichen – Kyoto-Verpflichtung hat uns Steuerzahlende rund 400 Millionen Euro gekostet. Diese Versäumnisse führen dazu, dass nun die Reduktionsmaßnahmen umso radikaler sein müssten (siehe Grafik), um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Ansonsten drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
In diesen vergangenen drei Jahrzehnten besetzte die ÖVP durchgehend das dafür zuständige Umweltministerium. Insofern setzt ihr Obmann diese Tradition der Klima-Ignoranz nun fort. Trotzdem lohnt es, sich mit seinen absichtsvoll gewählten Stich- bzw. Reizwörtern näher auseinanderzusetzen.

AB IN DIE STEINZEIT?
Alle seriösen Szenarien gehen davon aus, dass Österreich seinen Energieverbrauch bis zum Jahr 2050 halbieren muss. Dann sind wir allerdings nicht in der Steinzeit angelangt, sondern auf dem Niveau von 1970. Schon damals war Österreich ein Industrieland mit der VÖEST als Leitbetrieb. Die Menschen waren auch vor 50 Jahren mobil und wohnten in beheizbaren Wohnungen und Häusern; und nicht in zugigen Höhlen. Durch gerechtere Verteilung und Effizienzsteigerungen könnte auch mit diesem Energiebudget ein gutes Leben für alle möglich sein.

VERKEHR WIE BISHER?
Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass der vollständige Umstieg auf Elektroautos nicht ausreicht, um die Klimaziele zu erreichen. Vielmehr müssen wir unser Mobilitätsverhalten
grundlegend ändern; also weg vom Pkw und hin zum Öffentlichen Verkehr und Rad. Was uns daran hindert, sind Gewohnheit, vorgebliche Bequemlichkeit, eine schlechte Raumplanung, fehlende Öffi-Verbindungen und mangelnde Infrastruktur für den Fuß- und Radverkehr. Bei den ersten beiden Faktoren sollte man mit – zugegebenermaßen unpopulären – Push-Maßnahmen (z. B. Tempolimits, Fahrverbote in Gebieten mit gutem Öffi-Angebot) ansetzen.
Gleichzeitig müssen auch jene zwanzig Prozent der Bevölkerung, die bisher von einer Öffi-Anbindung abgeschnitten sind, eine umfassende Mobilitätsgarantie erhalten. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die sogenannte „letzte Meile“ zu legen, denn hier fällt oft die Entscheidung für den Pkw. Jeder Euro, der in den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs gesteckt wird, erspart ein Mehrfaches an Auto- und Umweltkosten. Weiters müssen Unternehmen verbindlich dafür
sorgen, dass ihre Beschäftigten und Kundinnen und Kunden ohne Pkw anreisen können. Ähnliches gilt für den Güterverkehr: In einer dekarbonisierten Wirtschaft wird das Transportaufkommen zwangsläufig zurückgehen. Zusätzlich
muss es endlich zu einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommen müssen. Die Bevorzugung des Lkw-Verkehrs durch eine fehlende flächendeckende Straßenmaut, günstige Steuersätze und schlechte Arbeitsbedingungen sind dabei kontraproduktiv. …

Autor: Heinz Högelsberger