Die Stadtpolitik reagiert mit der Einführung einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung ab 2018 auf den Verkehrsnotstand in Salzburg. Bringt sie endlich den nötigen Schub für eine Verkehrswende in Salzburg? FORUM MOBIL traf den Mobilitätsexperten Günther Penetzdorfer zum Gespräch. 

 

Günther Penetzdorfer kennt die Lage im Salzburger Umland gut. Im Rahmen des Projektes FUMObil (Fuschlsee-Mondsee-Region) analysierte er die Verkehrslage in der Region und arbeitet an alternativen Mobilitätsangeboten. Für das FORUM MOBIL befragte ihn Michael Mair (Moderator der Salzburger Verkehrstage). 

 

FORUM MOBIL: Wie beurteilen Sie die Einführung der Parkraumbewirtschaftung in der Stadt Salzburg? Hat sie das Potenzial, den Autoverkehr in der Stadt zu verringern? 

 

Günther Penetzdorfer: Dass sie etwas bewegt, lässt sich an den Reaktionen der politischen Vertreter in den Umlandregionen beobachten: Die sehen sich jetzt mit einer starken Push-Maßnahme durch die Stadt unter Druck gesetzt. Dadurch wird das eigentliche Problem sichtbar: Dass effektive Pull-Maßnahmen lange versäumt wurden. Heute gibt es so viele Autopendelnde, weil es kein besseres Angebot gibt. Es ist richtig, dass die Stadt diesen mutigen Schritt geht, aber durch die Parkraumbewirtschaftung alleine lässt sich die Situation nicht verbessern.  

 

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FORUM MOBIL: Die Parkraumbewirtschaftung ist ja ein klassisches Element der Verkehrssteuerung. Mit der Denkfabrik Mobilität wollen Sie dagegen „neues Denken“ in die verkehrspolitische Debatte bringen. Was macht dieses neue Denken aus? 

 

Günther Penetzdorfer: Früher sind Verkehrsplaner von einem vorher definierten Verkehrsmittel ausgegangen. Wir wollen dagegen bei den Menschen und ihren Mobilitätsbedürfnissen ansetzen. Es beginnt im Kopf – und da haben wir natürlich einen großen Gegner, die Werbung der Auto-Industrie: Riesige Autos fahren auf leeren Straßen durch wunderschöne Natur. Das entspricht zwar nicht der Realität, aber es gibt dem Autofahren im Kopf einen gewissen Wert. Wir wollen die Menschen nicht dem Spielfeld der Werbung überlassen, sondern intensiv mit ihnen in Dialog treten und ihre Mobilitätsbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. 

 

FORUM MOBIL: Wie sah dieser Dialog beim Projekt FUMObil aus? 

 

Günther Penetzdorfer: In ersten Gesprächen bewerteten die Bürgermeister das Verkehrsangebot in der Region positiv. Nach unserer Analyse haben wir sie mit den Ergebnissen konfrontiert: Beispielsweise gibt es in vielen Gemeinden am Wochenende überhaupt kein Bussystem. So konnten wir einen gewissen Bewusstseinsprozess einleiten: Es liegt vor allem am fehlenden Angebot, dass weniger als 10 % der Bevölkerung den Öffentlichen Verkehr (ÖV) nutzen. 

 

FORUM MOBIL: Wo steht denn das Projekt FUMObil inzwischen? Wie geht es weiter? 

 

Günther Penetzdorfer: Bei FUMObil geht es um eine Attraktivierung verschiedener Verkehrssysteme – sowohl des ÖV, als auch anderer Systeme wie Car- und Bikesharing. Eine große Erkenntnis aus dem Projekt ist: Der Zugang zu diesen Systemen muss wesentlich sichtbarer werden. Im Rahmen des FUMObilFolgeprojekts Shareplace entwickeln wir eine Kommunikationsplattform, die Bewohnern und Gästen einen ganz einfachen Zugang zu diesen Systemen geben soll. 

 

FORUM MOBIL: Zurück zum Ausgangsthema: Wie kann man die Salzburger zu einem vernünftigen Verhalten im Verkehr bewegen? 

 

Günther Penetzdorfer: Man muss sie dort abholen, wo sie Leid empfinden. Die Bevölkerung in der Region leidet täglich unter dem Stau. Sie leidet auch – zunehmend bewusst – an den Kosten für Auto und Zweitauto. Hier muss man die Menschen abholen und ihnen Alternativangebote unterbreiten. Für gute Angebote sind die Menschen sehr offen. Sie müssen aber auch gut kommuniziert werden. 

 

FORUM MOBIL: Kann der ÖV also noch von der Auto-Werbung lernen? 

 

Günther Penetzdorfer: Unbedingt. Auch Werbung für den ÖV sollte mehr auf der Gefühlsschiene aufbauen. Angebote, die dem Auto überlegen sind, gibt es ja bereits, z.B. den Railjet im Fernverkehr. Statt im Stau zu stehen, kann man in Ruhe arbeiten. Solche Angebote können emotional gut vermarktet werden. Aber zuerst muss es Angebote in so hoher Qualität geben. 

 

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